Geldpolitik und Strukturpolitik – zum weitgehend unverstandenen Verhältnis zweier Politikbereiche
Günther Grunert hat gestern die wichtigen Dinge zum jüngsten Entscheid der EZB und zur Geldpolitik in diesen Zeiten im Allgemeinen schon gesagt. Eine Anmerkung scheint mir aber noch wichtig. Immer häufiger hört man das Argument, niemand wolle mehr Strukturreformen durchführen oder angeschlagene Bankbilanzen sanieren, wenn man sich bei dem anhaltenden Geldregen weiter bequem durch wursteln könne. So etwa Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes am 3. 12. 2015 (S. 27) in einem Kommentar im Handelsblatt. Weiter stellt er fest, das schleppende Wachstum im Euro-Raum sei wegen Überregulierung, einem zu großen Staat und der ungenügenden Vorbereitung auf den demographischen Wandel vor allem „strukturell“ bedingt. Die Produktivitätsentwicklung sei „niedrig“.
Das ist ein mehr als seltsames Argument, auf das man aber immer wieder trifft. Das kann ja, übersetzt in eine verständliche Terminologie, nur heißen, dass in strukturell schwachen Volkswirtschaften die Geldpolitik restriktiver oder weniger expansiv sein sollte als in strukturell starken. Wenn eine laxe Geldpolitik in schwachen Volkswirtschaften nur das Durchwursteln fördert, dann ist eine Nullzinspolitik in starken Volkswirtschaften, sagen wir wie in den USA und Deutschland, eher angemessen als eine Nullzinspolitik in Italien oder Frankreich (wobei Frankreich nur in den deutschen Vorurteilen ein solches Land ist, weil ja dort die Produktivität absolut höher ist als in Deutschland und die Produktivitätsdynamik genauso groß wie in Deutschland). Um das angemessen beurteilen zu können, muss man noch einmal fragen, was Geldpolitik überhaupt erreichen soll.
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