Länder

Halbwahrheiten über Brasilien

| 03. Mai 2016

Im Kontext des Verfahrens zur Amtsenthebung der brasilianischen Präsidentin Rousseff – in einer Woche, am 11.5., will der Senat über das Impeachment entscheiden – findet Brasilien in der deutschen Presse wieder vermehrt Aufmerksamkeit. Leider enthält die Berichterstattung eine Reihe von Verkürzungen und Halbwahrheiten, die einer sehr selektiven Wahrnehmung entspringen. Bei näherem Hinsehen stellt man fest, dass die aktuellen Vorgänge in Brasilien kein Grund zur Freude sind, sondern Teil einer restaurativen Entwicklung, die eine Dekade sozialen Fortschritts zunichtemachen kann.

So wird beispielsweise berichtet, dass das Amtsenthebungsverfahren ein Triumpf der brasilianischen Demokratie sei, in der legitime Verfahren selbst zum Sturz der Mächtigen führen können. Keinesfalls könnte die Rede davon sein, dass in Brasilien ein Staatsstreich stattfinde (ich beziehe mich hier, wie im Folgenden, auf den Leitkommentar von Matthias Rüb, „Brasiliens Prüfung“, FAZ vom 19.4., S. 1). Dabei wird aber verschwiegen, dass die gesetzliche Basis des aktuellen Verfahrens sehr umstritten ist. Grundlage des Verfahrens ist die Behauptung, dass die brasilianische Regierung vor der letzten Präsidentschaftswahl Budgetposten zur „Bilanzschönung“ umgeschichtet habe. Abgesehen davon, dass die Vorgängerregierungen ähnlich verfuhren, ohne dass das jemals zu einem vergleichbaren Verfahren geführt hat, entspricht das Vorgehen der Kläger nach Meinung vieler brasilianischer Juristen auch nicht der Verfassung, die ein klaren Verstoß gegen „crimes de responsabilidade“, also „Verantwortungsdelikte“ verlangt.

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