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Italien: Wie man eine kranke Demokratie reformiert - 1

| 04. April 2016

Neulich waren auf flassbeck-economics zwei interessante Artikel von Martin Rothweiler über Italien zu lesen: „Italien: Sterben für den Euro“. Im ersten Teil (siehe hier) wird gut erklärt, wie dramatisch die ökonomische Lage Italiens im Euroraum geworden ist. Dem Autor gelingt auch sehr gut und mit wenigen Worten, die Dimension des Unmuts im Lande zu vermitteln. Es wird ebenfalls klar, welche erratischen Kräfte auf politischer Ebene sich in Bewegung gesetzt haben und sich noch mehr setzen könnten. Aber so gut und informativ der erste Teil ist, so irreführend ist in meinen Augen der zweite (siehe hier). Dort wird nämlich ein Bild von Italien gezeichnet, das die wahren Verhältnisse verzerrt. Doch diese Verzerrung gibt genau das wieder, was man auch aus den Federn von unzähligen italienischen Journalisten und Politikern erfahren kann.

Täglich sind in Italien im linken Lager Wehklagen zu hören, die an Selbstzerfleischung grenzen. Das Land sei nun in die Hände eines Hasardeurs namens Renzi gefallen. Er sei dabei, das Programm des sozialdemokratischen Lagers durch eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik à la Schröder umzugestalten. Er täusche die Italiener über den reellen Zustand der Wirtschaft des Landes. Der gefährliche Versuch, die „beste Verfassung der Welt“ zu verunstalten und die Demokratie zu beschränken, sei voll im Gange. Renzi wolle um jeden Preis das einzig gerechte und demokratische Wahlsystem – das uneingeschränkte Verhältniswahlsystem – durch hinterhältige Tricks so verbiegen, dass schließlich ein Zweiparteiensystem entstehe. Er wird an den Pranger gestellt, da er von Heuschrecken, die natürlich Ihren Sitz in London hätten, fremdgesteuert sei. Es fehlt auch nicht die Anschuldigung, mit dem Feind gemeinsame Sache zu machen. Die Beweise? Das sogenannte „Nazareno-Abkommen“ mit Berlusconi vor zwei Jahren, um eben das neue Wahlsystem einzuführen. Danach, nachdem das „schändliche Abkommen“ geplatzt sei, habe sich Renzi die Hilfe von rechtsgerichteten Abgeordneten erkauft. Kurzum: Ein Horrorszenario und das Bild eines Landes, in dem die Verschwörungen beinahe die Demokratie abgelöst hätten. So der Tenor der Berichterstattung in Zeitungen wie „Il fatto quotidiano“, aber häufig auch in „La Repubblica“ (der meistgelesenen linken Zeitung), und sowieso in den Blogs aus dem Kreis der „5-Sterne-Bewegung“ von Beppe Grillo. Renzi wird auf diese Weise sogar in seiner eigenen Partei, Partito Democratico, kritisiert. Zu diesen Attacken summieren sich natürlich die aus dem rechten Lager, im Parlament und in der Berlusconi-Presse.

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