Eurozone

Lohn oder Kapital? - Teil 1

| 09. Juni 2016

Über die Ursachen der Krise in der Europäischen Währungsunion ist eine Kontroverse entbrannt. Es fehlt allerdings dabei an theoretischer Klarheit, weil man sich nicht explizit mit den neoklassischen Irrungen und Wirrungen befasst.

Teil 1

Seit einigen Wochen gibt es in Deutschland, teilweise sogar heftige, Diskussion darüber, ob die deutsche Lohnzurückhaltung zu Beginn der Europäischen Währungsunion wirklich verantwortlich ist für die gewaltigen Ungleichgewichte, die in den Leistungsbilanzen der Mitgliedsländer dieser Union entstanden sind. Besonders im linken politischen Spektrum gibt es viele, die der von Hans-Werner Sinn vertretenen These zuneigen, wonach Kapitalströme eine viel größere Rolle spielten als die Lohndifferenzen. Wobei Sinn durchaus ambivalent argumentiert: Die Bedeutung der Lohnstückkostendifferenzen räumt er ein, allerdings betont er immer nur die „zu hohen“ Lohnzuwächse in den Krisenländern, vergisst aber meist die „zu niedrigen“ Lohnzuwächse in Deutschland zu erwähnen.

Sinn ist allerdings insoweit konsequent, als er als Neoklassiker die Position vertritt, dass es auch im Inland die „Ersparnisse“ (also die inländischen Kapitalströme) sind, die Investitionen induzieren, was nichts anderes heißt, als dass mehr Ersparnisse gut sind, weil sie mehr Investitionen mit sich bringen. Das überträgt er einfach auf die Außenbeziehungen und argumentiert folgerichtig, dass das Kapital immer in der Führungsrolle ist, wenn es um mehr Investitionen geht. In bester neoklassischer Tradition unterstellt er, dass es einen funktionsfähigen Zinsmechanismus gibt, der die Ersparnisse quasi automatisch und reibungslos zu Investitionen macht. Ob das von den Autoren auf der Linken auch vertreten wird, weiß ich nicht. Es wäre aber schon komisch, wenn man eine These verträte, bei der dieser Mechanismus im Inland ganz anders abliefe als in der Beziehung zum Ausland.

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