Eurozone

Lohn oder Kapital? – Teil 2

| 12. Juni 2016

Die Position, die man der Neoklassik entgegenstellen muss, setzt auf das Verstehen von Abläufen und damit auf kausale Zusammenhänge, die es jenseits der Identität von Sparen und Investieren erlauben, eine plausible Geschichte abzuleiten.

Was ist die Gegenposition zur Neoklassik?

Die Gegenposition beginnt mit einer einfachen Überlegung in Sachen Erkenntnistheorie und einigen zentralen empirischen Beobachtungen. Zunächst muss man zur Kenntnis nehmen, dass die (ex post) immer gegebene Gleichheit von Sparen und Investieren eine reine Identität ist und man folglich daraus keine Aussagen über Abläufe bzw. kausale Zusammenhänge ableiten darf. So lange wir nicht wissen, wie sich bei einer Zunahme der Ersparnis beispielsweise, das gesamte Einkommen der Volkswirtschaft (also auch die gesamte Produktion, das BIP) verändert, ist die Aussage, dass am Ende aller Anpassungsprozesse dennoch die Ersparnis der Volkswirtschaft (also das, was nicht konsumiert wurde) genau gleich ist der Investition (das ist definitionsgemäß auch das, was nicht konsumiert wurde), ohne jede Bedeutung. Das gleiche gilt für Kapitalexport und Leistungsbilanzsaldo. Aus der Tatsache, dass beides definitionsgemäß gleich ist, folgt nichts hinsichtlich der Abläufe, die zu bedeutenden Salden führen (die ich zumeist „Ungleichgewichte“ nenne, weil das so üblich ist, aber eigentlich mit einem Ungleichgewicht im Sinne der neoklassischen Theorie nichts zu tun haben). Wenn also solche Salden entstehen, muss man nach Faktoren suchen, die geeignet sind, die Güterströme oder die Kapitalströme in einer Weise zu bewegen, die das Entstehen von solchen Salden begünstigt.

Auch hier will ich teilweise auf eine Erläuterung zurückgreifen, die ich vor einiger Zeit schon gegeben habe (hier zu finden): „Das heißt, dass man die Bewegungen im deutschen Außenhandelssaldo von einer leichten Überschussposition Ende der neunziger Jahre zu einer massiven Überschussposition in den letzten 15 Jahren nicht mit den Bewegungen der Salden gegeneinander erklären kann, wie das viele Neoklassiker und vorneweg Hans-Werner Sinn tun. Zu sagen, die deutschen Ersparnisse seien ins Ausland geflossen, weil man im Vergleich der Salden sieht, dass der Kapitalexport in dieser Zeit zugenommen hat, ist keine Erklärung im eigentlichen Sinne, es ist lediglich die Verbalisierung der Identität, die sich aus der reinen Saldenbetrachtung ergibt, also eine Beschreibung der Vorgänge, gibt aber keine Begründung.

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